Im ersten Teil unseres Beitrags haben wir beschrieben, welche drastischen Auswirkungen der Zeitpunkt des Renteneintritts auf das Altersvermögen haben kann. Teil II beschreibt nun, wie Anleger klug auf diese Herausforderung reagieren können.
Die Lösung ist einfach: Bei fallenden Märkten wird weniger Geld aus dem Portfolio abgezogen. Dies bezeichnen wir als „dynamische Entnahme“. Bei einer dynamischen Entnahmestrategie passen die Ruheständler ihre Auszahlungen an die jeweilige Marktperformance an. War also das Jahr für die Märkte schlecht, ziehen sie weniger Geld ab als ursprünglich geplant – jedoch ist die Summe, auf die verzichtet werden muss, überraschend gering.
Das kann bedeuten, dass der Gürtel eine Zeit lang enger geschnallt werden muss, was durchaus schwerfallen kann, führt aber langfristig dazu, den Verlust zukünftigen Einkommens erheblich abzumildern. Wenn die Märkte sich erholen, sind mit der dynamischen Entnahmestrategie auch höhere Auszahlungen möglich, sodass man seine gut geplante Ruhestandsstrategie genießen kann.
Ober- und Untergrenzen festlegen
Dabei ist es am einfachsten, von dynamischen Entnahmen zu profitieren, wenn man Formeln festlegt, um zu berechnen, wie viel Einkommen jedes Jahr entnommen werden kann. Wir haben ein anfängliches Entnahmeziel in Höhe von 25.000 US-Dollar festgelegt, was 5 % des Portfoliobestands entspricht, genau wie bei der Strategie mit festgelegten Entnahmen aus unserem vorherigen Beispiel. Für das nächste Jahr haben wir erneut 5 % des Portfolioguthabens berechnet und das Ergebnis mit der Entnahme des Vorjahres verglichen. Wenn der neue Wert höher war, haben wir ihn auf eine vorab festgelegte Obergrenze (5 % über der Entnahme des Vorjahres) aufgestockt.
Wenn der neue Wert jedoch niedriger war, wurde die Entnahme entsprechend gesenkt, jedoch nicht unterhalb einer vorab festgelegten Untergrenze (2 % unter der Entnahme des Vorjahres). Je niedriger die Untergrenze angesetzt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Altersvermögen aufgebraucht wird. Aber wie wir sehen werden, machen selbst 2 % hier langfristig einen erheblichen Unterschied.
Dieses Vorgehen wurde jedes Jahr wiederholt, wobei die Entnahmen in Abhängigkeit der Veränderungen des Portfoliowerts reduziert oder erhöht wurden.
Dynamische Entnahmen in der Praxis
Eine dynamische Entnahmestrategie bedeutet für Pensionäre, dass sie möglicherweise vorübergehend mit weniger Geld auskommen müssen, als ihnen lieb ist – insbesondere wenn die Märkte für mehrere Jahre in Folge nachgeben. Allerdings hat unsere Analyse1 der wichtigsten Baissen des 20. Jahrhunderts gezeigt, dass das Risiko, im Alter schlecht dazustehen, durch diese kurzfristigen Sparmaßnahmen deutlich reduziert werden kann. Unsere Modelle zur Analyse der Performance von Rentenportfolios in den sechs großen Bärenmärkten des 20. Jahrhunderts haben ergeben, dass dynamische Entnahmen das Risiko eines Kapitalverzehrs ausschalten konnten – selbst für diejenigen, die in den schlimmsten Zeiten der Weltwirtschaftskrise oder während der Tumulte der späten 1960er- und 1970er-Jahre ihren Ruhestand begannen.
Das heißt allerdings nicht, dass sich das Pech, ausgerechnet zu Zeiten einer Baisse in Rente zu gehen, durch dynamische Entnahmen allein voll ausgleichen lässt. Im Durchschnitt lag das verfügbare Einkommen in dem von uns untersuchten Zeitraum von 35 Jahren inflationsbereinigt bei etwa 20.000 US-Dollar und damit 21 % unter dem ursprünglich geplanten Betrag von 25.000 US-Dollar pro Jahr. Dieses Ergebnis ist weitgehend vergleichbar mit der Erfahrung von Personen, die sich für eine Strategie mit festgelegten Entnahmen entschieden haben.
Einen entscheidenden Unterschied macht die dynamische Strategie, wenn es darum geht, das Risiko eines Kapitalverzehrs zu reduzieren oder eine deutlich größere Erbschaft zu hinterlassen. So haben unsere Modelle gezeigt, dass bei Personen, die eine Strategie mit festen Entnahmen wählten und die zu Beginn eines Bärenmarktes in Rente gingen, der durchschnittliche Endbetrag ihres Portfolios 44.000 US-Dollar betrug. Hingegen lag der durchschnittliche Portfoliowert von Personen, die ebenfalls mit Beginn einer Baisse in Rente gingen, aber eine dynamische Entnahmestrategie wählten, bei 229.000 US-Dollar – und damit bei immerhin 38 % des anfänglichen Portfoliowerts statt gerade mal 9 %. Dieser Mehrwert von 29 % war wesentlich höher als bei Personen, die irgendwann im Laufe einer Baisse in Rente gingen. Aber auch bei diesen war das Ergebnis der dynamischen Entnahmestrategie um 12 % höher. Daraus lässt sich schließen, dass dynamische Entnahmen für diejenigen besonders effektiv sind, die am stärksten vom SORR betroffen sind.
Der Grund für diese besseren Ergebnisse sind die niedrigeren Auszahlungen in Phasen fallender Kurse. Dabei ist die Einschränkung relativ gering. In den ersten fünf Jahren ihres Ruhestands verzeichnet eine durchschnittliche Person, die zu Beginn einer Baisse in Rente gegangen ist, eine Einkommenslücke in Höhe von 4,5 %. Eine Person, die irgendwann im Laufe eines Bärenmarktes in Rente gegangen ist, erzielt hingegen sogar einen Einkommensüberschuss von 2 %, da das Einkommen bei der dynamischen Entnahmestrategie nach oben korrigiert wird, wenn sich die Märkte erholen.
Wie aber hätte sich das Vermögen unseres Rentners von 1973 aus dem oben angeführten Beispiel entwickelt, wenn er eine solche dynamische Entnahmestrategie verfolgt hätte? Statt nach 23 Jahren alles aufgebraucht zu haben – ein katastrophales Ergebnis – hätte sein Portfolio nach 35 Jahren immer noch 50 % seines Ursprungswertes bewahrt!
Eine dynamische Entnahmestrategie kann viel bewirken

Quelle: Vanguard-Berechnungen basierend auf Daten von Morningstar, Inc., der Federal Reserve Bank of St. Louis sowie der Ken French Data Library.
Um dies zu erreichen, müssen im Vergleich zu einer Strategie mit festgelegten Entnahmen nur kurzfristig geringe Einschnitte in Kauf genommen werden. Betrachtet man die gesamte 35-jährige Rentenphase, so sind keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der Summe der Entnahmen bei den beiden Strategien zu beobachten.
Das macht dynamische Entnahmen zu einem so wertvollen Instrument: Sie schützen vor dem Risiko, dass das Kapital komplett aufgebraucht wird, und geben Ruheständlern Sicherheit im Alter.
Wie Sie trotz dem Auf und Ab der Märkte einen entspannten Ruhestand genießen können, erläutern wir Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch.
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