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Renteneintritt bei sinkenden Kursen – behalten Sie die Risiken im Griff! Teil I

Die meisten Anleger verstehen, dass man mit Schwankungen am Markt rechnen muss und dass sich diese Schwankungen langfristig betrachtet meist ausgleichen. Für Ruheständler können die Höhen und Tiefen der Investmentmärkte jedoch weitreichende Auswirkungen auf die Zeit danach haben, für die sie so hart gespart haben – das dürften alle, die dieses Jahr in Rente gegangen sind, gespürt haben.


Das Problem, dem sich diese Rentner gegenübersehen, wird fachlich als „Sequence-of-Return-Risiko“ (SORR) bezeichnet. Es bezieht sich auf die zeitliche Abfolge, in der ein Portfolio mit fallenden und steigenden Märkten konfrontiert ist. Die Bedeutung des SORR ist so groß, dass wenige Monate einen großen Unterschied im Hinblick auf den endgültigen Wert eines Portfolios machen können.

Kern des Problems ist der Zinseszins. Dieser wirkt sich üblicherweise zugunsten regelmäßiger Anleger aus, ist aber für alle, die Entnahmen bei fallenden Kursen vornehmen, verheerend. Bei Investitionen in steigenden Märkten nutzt man die Wirkung des Zinseszinses: Man erzielt eine Rendite für das investierte Kapital und im folgenden Jahr zusätzlich für dieses und die reinvestierten Zinsen.

Wenn man allerdings in fallenden Märkten in Rente geht und in der Folge Auszahlungen vornimmt, wirkt sich der Zinseszinses negativ aus. Die Renditen, die ohnehin schon sinken, sinken weiter, weil man dem Portfolio Kapital entzieht. Wenn man also in fallenden Märkten genauso viel Kapital wie in den Vorjahren entnimmt, geht dies zu einem größeren Teil zulasten des Portfolios, das dadurch schneller aufgebraucht wird. Bis sich die Märkte wieder erholen, hat es bereits deutlich an Wert verloren.


Welchen Unterschied ein einziges Jahr machen kann

Auf Basis von Daten aus den USA wollen wir uns zwei hypothetische Anleger anschauen, um die langfristigen Auswirkungen des SORR zu verdeutlichen – das Prinzip lässt sich aber auf andere Länder übertragen. Der erste Investor ist im Januar 1973 in den Ruhestand gegangen, zu Beginn der siebtschlimmsten Baisse in der US-Geschichte. Der zweite hat sich ein Jahr später zur Ruhe gesetzt, als der Bärenmarkt bereits seinen Tiefpunkt erreicht hatte und anfing, sich allmählich zu erholen. Beide sind von einer Ruhestandsphase von 35 Jahren ausgegangen.

Wir nehmen nun an, dass beide zu Beginn ihres Ruhestands über ein Portfolio im Wert von 500.000 US-Dollar verfügten, das zu gleichen Teilen aus US-Aktien und US-Anleihen bestand (damals noch eine typische Allokation). Wir gehen weiter davon aus, dass jeden Monat die ursprüngliche Gewichtung im Portfolio wiederhergestellt wurde und beide Anleger die Absicht hatten, sich jedes Jahr inflationsbereinigt 25.000 US-Dollar auszuzahlen.

Der Ruhestand der beiden Anleger überschneidet sich für 34 der insgesamt 35 Jahre. Wenn sie im Laufe ihres Ruhestands keinerlei Entnahmen vorgenommen hätten, wären die erzielten Renditen weitgehend ähnlich gewesen: eine reale Rendite von 5,23 % pro Jahr bei Eintritt in den Ruhestand 1973 und eine reale Rendite von 5,10 % bei Eintritt in den Ruhestand 1974.

Auf den ersten Blick ist der Anleger von 1973 zu einem etwas günstigeren Zeitpunkt in den Markt eingetreten, was eine leicht höhere durchschnittliche Jahresrendite ermöglichte. Wenn beide Anleger dem Portfolio jedoch regelmäßig 25.000 US-Dollar pro Jahr (5 % des anfänglichen Portfolios) entnommen hätten, wäre das Ergebnis extrem unterschiedlich ausgefallen.

Nach 23 Jahren hätte der Rentner aus dem Jahr 1973 sein Geld vollständig aufgebraucht. Im Gegensatz dazu hätte der 1974 pensionierte Mann in den allermeisten der insgesamt 35 Jahre ein Saldo von 300.000 US-Dollar beibehalten und etwa ein Viertel des ursprünglichen Betrags vererben können.


Ein Jahr kann viel ausmachen


Quelle: Vanguard-Berechnungen basierend auf Daten von Morningstar, Inc., der Federal Reserve Bank of St. Louis sowie der Ken French Data Library


Hier zeigen sich die Auswirkungen des SORR auf eindrucksvolle Weise: Eine Verrentung im Abstand von einem einzigen Jahr kann drastische Unterschiede bei der Portfolioperformance bewirken.

Das liegt ganz einfach daran, dass sich die niedrigen Kurse bei Renteneintritt und Beginn der Entnahmen für den Rentner von 1973 mit voller Wucht ausgewirkt haben – um sich anschließend fortzusetzen und erst im Oktober 1974 einen Tiefstand zu erreichen. Der Anleger aus dem Jahr 1974 hat hingegen nur neun oder zehn Monate dieser Marktschwäche mitgenommen und insofern haben sich seine anfänglichen Entnahmen im fallenden Marktumfeld langfristig weniger stark auf den Portfoliowert ausgewirkt.


Die Anleger sind machtlos, was das Geschehen an den weltweiten Finanzmärkten angeht. Sie haben jedoch die Möglichkeit, die Auswirkungen fallender Kurse abzumildern, indem sie eine andere, flexiblere Entnahmestrategie verfolgen.


Wie diese Lösung aussieht, beschreiben wir im 2. Teil des Artikels

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